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Channel: Kommentare zu: Bitte nicht lächeln: Zur AfD
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Von: accalmie

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@Franziska: An einigen Punkten stimmen wir überein, an anderen bin ich verwundert, wie Du den Text interpretierst. Der Text hat eine ganz bestimmte Ausrichtung, da er ein ganz bestimmte Personengruppe kritisiert. Die Vergleiche mit der Humorgeschichte jüdischer communities oder iranischen Comedy gegen das Mullahregime finde ich daher unfassbar daneben.

Ich kritisiere Leute, die es sich hierzulande mit Witzen über die AfD bequem machen können, weil sie von der AfD nichts (oder wenig) zu befürchten haben bezüglich Leib und Leben (und darum geht es hier: Es geht um existenzielle Fragen für viele Menschen, siehe z.B. Lyiis Kommentar, nicht (nur) um politische Gestaltungsdifferenzen), die sich lieber einen Scherz über Petry „gönnen“, statt sich zum Beispiel (und es gibt viele Möglichkeiten des Aktivismus‘) an Demos zu beteiligen, antirassistischen_antifaschistischen Aktivismus zu unterstützen, mehr als nur „tortaler Krieg“ zu tweeten, etc., also die – ich zitiere aus dem Text – weißdeutschen Cishet-Böhmermanns, die ausser Stand-Up nichts zu bieten haben, während nebenan schon wieder eine Geflüchtetenunterkunft brennt. Wie man das mit Humor als einer Überlebensstrategie in unterdrückten communities vergleichen kann, ist mir unverständlich. Es geht um die Leute, die eben nicht marginalisiert sind.

Doch auf einmal sind hier alle Charlie Chaplins und Kurt Tucholskys, und erkennen sich in ihren Witzeleien über die AfD wieder als existenziell bedrohte Satiriker_innen (man findet gar Selbstvergleiche mit im Nationalsozialismus bedrohten und ermordeten Autor_innen/Satiriker_innen, um selbst weiter AfD-Witze machen zu können – man lasse sich das mal auf der Zunge zergehen…), während diejenigen, die tatsächlich bedroht sind, auf keinerlei Empathie oder gar Unterstützung hoffen können – jedenfalls niemals über Phrasen hinaus.

Genau deshalb habe ich z.B. von Privilegien geschrieben: Es sind nicht alle gleich betroffen von der AfD. Die AfD nicht Ernst nehmen können nur ganz bestimmte Leute. Und genau deshalb habe ich im Text versucht, das in einen Kontext zu stellen: Es geht ja nicht nur um die AfD. Es geht um gesellschaftliche Verhältnisse, in denen jede Nacht eine Geflüchtetenunterkunft brennt. So zu tun, als säßen „wir“ hier alle im gleichen (lustigen) Boot, ist perfide. Das Abstellen darauf, dass andere Leute ja auch lachen, ignoriert den Kern des Problems: Wer sind diese Leute und worüber lachen sie? Wer sind die Leute hier, die über die AfD (nur) lachen? Es geht mir um Leute, die 1. AfD-apologetisch unterwegs sind, weil sie in der AfD ein Protestwahl-Phänomen „Ungebildeter“ sehen und sich über jene lustig machen, und/oder 2. Leute, die Humor als Widerstandspraxis verstehen, sich aber als gleich betroffen mit allen anderen und darüber ein Unterdrückungsverhältnis imaginieren, und das, wie Du schreibst, nicht von anderen Praxen begleitet ist (deshalb steht im Text auch: „wenn das schon alles war, was ihr an Engagement zu bieten habt“ – es geht hier also um eine Relation zu anderen Formen von Engagement).

Also ja: Wenn Humor, dann bitte von anderen Praxen begleitet. Und doch: Zugleich bleibt mir das Lachen im Hals stecken, wenn weißdeutsche Cishet-Böhmermanns über die AfD scherzen – die Frage ist für mich also nicht nur die Praxenausformung und – kombination, sondern eben das, was im Text kritisiert wird: Wer kann noch lachen und warum? Wann wird immer noch gelacht? Ich habe geschrieben, dass ich Witze über die AfD und Dunstkreis „nicht (mehr)“ lustig finde. Das führt wieder zurück auf den Kontext der exponentiell angestiegenen rechten Gewalt – wie lange wollen Leute eigentlich lachen? Bis wohin? Bis zum ersten Mord (nach den Morden in Mölln und den NSU-Morden…)? Auch scheint den neuen Satiriker_innen nie aufzufallen, wer genau sich denn (allein) „humoristisch“ und wer sich besorgt äußert und wer nicht, siehe z. B. die ganz und gar unbelustigten Statements von Vertreter_innen des Zentralrats der Juden. Klingelt da bei manchen Leuten wirklich gar nichts? Und um unpassende Vergleiche noch einmal aufzugreifen: Tucholsky und Chaplin haben beide an bestimmten Punkten aufgehört, Witze zu machen (mit sehr bitteren Konsequenzen bei Tucholsky). Für mich ist der Punkt heute und hier schon lange erreicht, aus den oben genannten Gründen. Wer sollte sich vielleicht fragen, wie er_sie diejenigen, die es nicht mehr können, ganz konkret unterstützen kann? Wer sollte sich fragen, ob das schon alles an antirassistischem_antifaschistischem „Aktivismus“ war, den er_sie zu bieten hat?

@Hotzenplotz: Danke!


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